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Die Heimat auf der Zunge tragen – „Dialektpapst“ Prof. Dr. Ludwig Zehetner spricht am Schmeller-Gymnasium Nabburg zum „Tag der Muttersprache“

| Deutsch 

Die Schüler*innen der Q11 bekamen einen Einblick in das System der bairischen Sprache, also der Mundarten, die in Nieder- sowie Oberbayern und der Oberpfalz gesprochen werden. So erfuhren sie aus erster Hand, dass das „y“ erst auf Befehl von König Ludwig I., einem bekennenden Griechenlandfan, nach Bayern kam und das Adjektiv „bayerisch“ das politische Gebiet des Freistaates samt Franken und Schwaben bezeichnet, wo man Fränkisch und Schwäbisch-Alemannisch, nicht Bairisch spricht. Bairisch wird übrigens, so erläuterte Zehetner, nicht nur in Altbayern, sondern auch in Österreich und Italien, nämlich in Südtirol gesprochen.

Den Dialekt in der Oberpfalz bezeichnet man als Nordbairisch, wohingegen man (grob vereinfacht) südlich der Donau Mittelbairisch spricht. Unterscheiden lassen sich die beiden Subdialekte ganz einfach an der Verneinungspartikel „niad“ und „ned“. Daneben gebe es natürlich auch lautliche und andere lexikalische Unterschiede. In Nabburg „Bint si as Moidl seine Schouh zou“, wohingegen in Regensburg „as Deandl se seine Schuah zuabint“.

Ein bairisches Alleinstellungsmerkmal, so Zehetner, ist die Vorsilbe „der-“. Denn „derblecka“, „derschlang“, „dersaufa/saffa“ kann man nur im bairischen Sprachraum. Das Bairische neige zudem zur Silbenreduktion und zur Abschwächung/Einsparung von unbetonten Vokalen. So hat der standardsprachliche Fragesatz „Was wird es denn gekostet haben?“ neun Silben. Die bairische Entsprechung „Was weadsn kost hom?“ weist dagegen nur wortkarge viereinhalb Silben auf. Man kann also von einer 50-prozentigen Reduktion sprechen – sprachliche Effizienz pur!

Auch die Dehnung und Schärfung beim „Silbenschnitt“ erläuterte der Sprachwissenschaftler den aufmerksamen Schüler*innen. Das standardsprachliche „Vater“ kann in unserer Mundart zu „Vatta“ oder „Vooda“ werden, wobei letzterer aber mittlerweile eine eher abwertende Nebenbedeutung aufweist.

Neben vielen weiteren sprachlichen Phänomenen ging Zehetner auch auf das grammatische Geschlecht von Substantiven ein, das in der Standardsprache ein anderes ist. Bei uns heißt es das Teller, der Butter, der Radio, der Kartoffel, der Kaugummi, der Zeck, der Weps, der Schokolad und das Limo.

Der Professor schloss seinen überaus informativen und amüsanten Vortrag, dem noch zahlreiche Fragen seitens der Schüler*innen und Lehrer*innen folgten, mit zwei denkwürdigen Zitaten von Josef Hofmiller und Jürgen Huss:

„Wir brauchen Heimaten des Geistes, wenn wir nicht verwehen wollen wie Spreu im Wind. Wir müssen wissen, aus welchem Boden wir gewachsen sind und aus welchen Wurzeln.“ „Höchste Zeit also, sich auf unsere geistigen Wurzeln zu besinnen. Auf das, was unsere Muttersprache ausmacht. Denn ohne den Dialekt sind wir einfach aufgeschmissen.“


Der weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannte und renommierte Dialektologe Ludwig Zehetner (Jahrgang 1939) hielt am Johann-Andreas-Schmeller-Gymnasium Nabburg anlässlich des „Internationalen Tages der Muttersprache“ und in der Nachfolge des schulischen Namensgebers per Live-Stream den ersten Onlinevortrag seines Lebens. Organisiert wurde die Veranstaltung von Deutsch-Fachschaftsleiter OStR Andreas Fröhlich auf Initiative von StRin Dr. Nadine Kilgert-Bartonek.