Eine Holocaust-Überlebende erzählt

Erstellt von OStR Andreas Fröhlich |

Anlässlich des Jahrestages des Pogroms gegen Juden am 9. November 1938 sprach die Holocaust-Überlebende Ruth Melcer am 10. November 2023 über ihr Leben.

Ruth Melcer wurde 1935 nahe der polnischen Stadt Lodz geboren. Sie war vier Jahre alt, als die deutsche Wehrmacht in Polen einmarschierte. Im Alter von neun Jahren wurde sie aus dem KZ Auschwitz von der Roten Armee befreit. Im Lager starben ca. eine Million Menschen.

Auf dem Gelände des Konzentrationslagers befanden sich zum Zeitpunkt der Befreiung noch etwa 7.000 Menschen, unter ihnen die damals zehnjährige Ruth Melcer, die im Rahmen einer Videokonferenz des "Zeitzeugenforums der Friedrich-Ebert-Stiftung" den Schülerinnen und Schülern in circa hundert zugeschalteten deutschen Klassenzimmern als Zeitzeugin Auskunft gab.

Sie erzählte anschaulich von ihren ersten Erinnerungen an den Alltag im jüdischen Ghetto und der zunehmenden Entrechtung bis hin zur Deportation in Arbeits- und Konzentrationslager, um als Kind in schichtweiser Zwangsarbeit Uniformen für die Wehrmacht zu nähen. Ihr jüngerer Bruder wurde in dieser Zeit in einem Waldstück erschossen, wovon sie aber erst viel später erfuhr. Sehr genau erinnerte sich die Zeitzeugin an ihre Deportation in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau im Jahr 1944. Als Arbeitskraft wurde Ruth Melcer zunächst an der "Rampe" nicht für die sofortige Ermordung in den Gaskammern "selektiert", aber aufgrund des Hungers, der absoluten Entmenschlichung und der Brutalität der gewalttätigen "Kapos" aus der Gruppe der Häftlinge bildet diese Zeit für sie einen bis heute immer noch schwer zu verarbeitenden Alptraum. Nach der Flucht der Lagerbesatzung zu Kriegsende war sie sich mit wenigen anderen geschwächten Überlebenden für zehn Tage völlig selbst überlassen, bis am 27. Januar das Lager befreit wurde. Untergebracht in einem polnischen Kinderheim wartete sie, bis sie von ihrem Onkel gefunden wurde. Erst Monate später traf sie ihren Vater und ihre Mutter, die beim Wiedersehen nur 35 Kilogramm wog. An ein "normales" Leben war für die Zeitzeugin nach diesen Erfahrungen lange Zeit aber nicht zu denken. „Wir alle wollten einfach nur vergessen und einfach leben. Aber so einfach ist das nicht", gab sie zu bedenken. Daher konnte sie sich erst nach langem Schweigen dazu überwinden, über ihre grauenhaften Erinnerungen zu sprechen – umso wichtiger in einer Zeit, in der antisemitisches Gedankengut wieder immer stärker in die Öffentlichkeit tritt. Ihr eindringlicher Appell an die Jugendlichen: "Schaut nicht weg! Denn für Antisemitismus braucht es keine Juden!"

78 Jahre nach der Befreiung leben immer weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, um ihre persönlichen Erfahrungen der nationalsozialistischen Verfolgung zu teilen und an die Verbrechen zu erinnern. Umso wichtiger erscheint es, die

Erinnerung am JAS-Gymnasium lebendig zu halten und aus der Vergangenheit zu lernen.

(OStR Andreas Fröhlich)


Die Holocaust-Überlebende Ruth Melcer erzählte den Schülerinnen und Schülern des Johann-Andreas-Schmeller-Gymnasiums Nabburg im Rahmen einer Videokonferenz des "Zeitzeugenforums der Friedrich-Ebert-Stiftung" von dem Leid, das sie im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ertragen musste.